Ausgekotzte Strophen und torfiger Whisky

Neuerdings Musik statt Skandal: Die Cowboy­stiefel stampfen ab dem ersten Takt auf den Holzboden, dazu fließt Whiskey in Strömen, in anderen Songs verbindet sich Punk mit Southern Rock, Rockabilly und eben Blues. Bild: UNSPLASH/CHRIS MURRAY

Es ist langweilig, eine Band allein aufgrund ihrer Schockmomente wie etwa Erbrechen auf der Bühne oder Demolieren der Instrumente gut zu finden. Die Erwartung, dadurch den echten Rock ’n’ Roll zu bekommen, ist absurd, schließlich gibt es nichts, was es noch nicht gab. Die Band Black Lips aus Atlanta, die seit zehn Jahren verdorbenen Garagenrock spielt, gilt als eine solche Schockgruppe.

Welche Musik macht man also in einer Welt, die schon alles kennt und dazu noch auseinanderzufallen droht? Auf dem Album »Sing in a World That’s Falling Apart« versuchen es die Black Lips, indem sie blues­lastigen Country spielen. Schnell und billig wurden die schlichten Klänge und die direkten und ungenierten Texte produziert. Das ­gänzliche Fehlen moderner Aufnahmetechnik ­illustriert sehr gut, ­wofür die Band steht: für wuschelige, schmutzige Selbstgenügsamkeit.

Beim Song »Rumbler« etwa hört man das: Die Strophen werden ausgekotzt, dazu gesellt sich ein schunkelnder Refrain. Die Cowboy­stiefel stampfen ab dem ersten Takt auf den Holzboden, dazu fließt Whiskey in Strömen.

In den Valentine Recording Studios in North Hollywood haben neben den Black Lips auch schon die Beach Boys und Frankie Avalon aufgenommen. Und mit Nic Jodoin haben die Black Lips einen Produzenten ­engagiert, der das aus der Band herausholt, worauf sich auch andere Musiker wieder mehr besinnen sollten: Musik statt Skandal. Punk verbindet sich hier mit Southern Rock, Rockabilly und eben Blues. Eine ­solche Entwicklung hat auch schon The Mekons gut gestanden.

Die Songs klingen mal wie Schlager (»Odelia«) oder wie eine Hommage an Bob Dylan, John Denver und Ty Segall zugleich. Die Songzeile »Feel like a strung-out Snuffleupagus on the southside wearing Vietnamese cowboy clothes« im Lied »Gentleman« beweist dann noch einmal den Humor der Black Lips. Und wer kann schon wie Bon Jovi und gleichzeitig wie The Velvet Underground klingen (»Get It On Time«) und dabei trotzdem so lässig sein?

Jungle World, Dschungel, 20.02.2020

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